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PISA 2006.
How are students faring in science today?

Unser Kommentar zum Streit um Jubeln oder Klagen über die PISA-2006-Daten

Frühkindliche Bildung ist wichtiger denn je. An der möglichst frühen Förderung müsse vordringlich gearbeitet werden, kommentiert Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper die PISA-Ergebnisse. Der Hintergrund: Schulische Förderung, v. a. im Sinne des Ausgleichs sozialer Bildungsbenachteiligungen und Lesenlernen bilden in den Daten der schulischen Sozialisation der 15-jährigen Deutschen einen großen Schwachpunkt.

Die Weiterentwicklung der LehrerInnen-Bildung ist mindestens ebenso wichtig, deutet doch vieles darauf hin, dass die PISA-Gewinner ein sehr hohes Niveau der Lehrerbildung installiert haben.

Dennoch, die deutsche Bildungslandschaft ist in Bewegung. Viele positive Entwicklungen wie frühkindliche Bildung, die neue Schuleingangsphase oder die Ganztagsschule wurden inzwischen angestoßen. Die Eltern unterstützen diese Veränderungen. Was fehlt, ist die konzertierte politische und finanzielle Unterstützung dieser Vorhaben auf allen Ebenen des Bildungssystems. PISA sei Dank, lässt sich dieses kritische Urteil auch "messen". Das Messen bei PISA 2006 scheint unkritisch. Aber um die angemessene Interpretation der PISA-Daten ist ein heftiger Parteien-Streit entbrannt. [siehe unten...]

Diese "Schlacht um die Deutungshoheit" bleibt aber solange ein Streit um des Kaisers Bart, wie sich die Bildungspolitik nicht an einer nachhaltigen, evidenzbasierten Politikgestaltung orientiert, sondern überwiegend an rhetorischer Sofortwirkung. Wenn jetzt einige konservative Kultsminister in Deutschland den Ausstieg aus PISA oder die Entlassung des PISA-Direktors fordern, dann soll hier wieder einmal der Bote für seine schlechte Botschaft erschlagen werden, anstatt den Kern dieser Botschaft zu begreifen und angemessene Konsequenzen aus ihm zu ziehen.

Also: Nicht nur bei den Schulleistungstestergebnissen, auch bei einer wissenschaftlich basierten, auf langfristige Verbesserung ausgerichtete Politikgestaltung ist Deutschland allenfalls Mittelmaß. Ausnahmen bestätigen wie immer selbst diese Regel - an einigen dieser Ausnahmen sind wir beteiligt. [mehr...]

Damit das Jubeln über deutsche PISA-Ergebnisse in einigen Jahren auch eine empirisch tragfähige Basis hat, engagieren wir uns weiter in der Frühkindlichen Bildung (einschließlich der Familienförderung), in der LehrerInnen-Bildung (universitär wie in Schulen und Verbänden) und in der Neugestaltung der Schullandschaft - eben in dem sprichwörtlichen "ganzen Dorf", das unsere Kinder brauchen.

P. S. 1/2: Vom Datum zum Urteil
Für die methodisch Interessierten noch eine Nachbemerkung zur Frage, wie aus empirischen Daten ein fundiertes Urteil wird:
Die Urteilsgewinnung in einem Bewertungsverfahren ist ein Prozess, in dem die Befunde in Beziehung gesetzt werden zu Ausgangsbedingungen, Prozessmomenten und Kontextfaktoren. Dieses komplexe Bedingungsgefüge kann zur Vereinfachung -dies aber nur in methodisch entwickelten Bewertungsprozeduren - in Form von Standards abgebildet werden. Das gesamte Verfahren ist Problem-Weg-Ziel-orientiert und nur auf der Basis eines theoretischen und evidenzbasierten Modells der Wirkungszusammenhänge logisch strukturierbar. Im Unterschied zu dieser aufwändigen und schwierigen Vorgehensweise einer "summativen Bewertungen (Evaluationen)" ist das in unserer "systemischen Begleitforschung" angewendete Bewertungsverfahren der "formativen Evaluation" etwas einfacher: Hierbei werden die Befunde im "laufenden Geschäft" von den Beteiligten - mit wissenschaftlicher Unterstützung - gewonnen und interpretiert - quasi im statu nascendi und sofort, wenn sie gebraucht werden.

P. S. 2/2: Vom Starten zum Ankommen
Bildungsreformen haben - wie viele natürliche Prozesse - eine hohe Latenzzeit, d. h. zwischen "Einschalten" der Reformprogramme und spürbarer Wirkung auf die Schulleistungen vergehen viele Jahre. Das reklamieren deutsche Bildungspolitiker für sich. Aber wie groß ist diese Latenzzeit, wieviele Jahre braucht es, bis grundlegende Maßnahmen Leistungseffekte hervorbringen? - So hat Südkorea zwischen 2000 und 2006 seine ohnehin schon starke Schülerleistung um 31 Punkte gesteigert - was in etwa einem ganzen Schuljahr entspricht. Auch polnische Schüler konnten ihre Leseleistung in diesem Zeitraum um 29 Punkte verbessern. Polen ist damit von einem unterdurchschnittlichen Platz in die Spitzengruppe der OECD aufgerückt. In Deutschland dagegen sind die Leistungen seit 2000 gleich geblieben. Bewegte Bildungssysteme schaffen also in 5-6 Jahren spürbare Fortschritte. Stagnierende Bildungssysteme müssen erst einmal in Bewegung geraten. Unseres Erachtens nach ist in Deutschland die rhetorische Bildungs-Bewegung bereits auf einem Höhepunkt angelangt, die bildungspolitische, heißt praktische Bewegung hat wahrscheinlich erst vor 2-3 Jahren begonnen. In PISA 2009 dürfte also der bereits heute beschworene Aufschwung auch empirisch fundierte Ergebnisse zeitigen.

zuletzt aktualisiert: 20080521 (mz)
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Kontakt: Arbeitsgebiet Grundschulpädagogik
© Prof. Dr. Ursula Carle - Universität Bremen - Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften - Grundschulpädagogik
Universität Bremen Fachbereich 12